YOU’LL NEVER FIND ME (Filmkritik)

YOU’LL NEVER FIND ME von den Australiern Indianna Bell (auch Drehbuch) und Josiah Allen ist ein äußerst effektives Kammerspiel, das vor (An-)Spannung geradezu pulsiert und den Zuschauer sofort mit sich reißt.

YOU’LL NEVER FIND ME (Filmkritik)
Copyright Meteor Film

Aber erstmal zum Inhalt: In einer stürmischen Nacht kann der sichtlich beunruhigte Patrick, ein Mann mittleren Alters (gespielt von Brendan Rock), nicht schlafen. Er lebt abgeschieden im hinteren Bereich eines Wohnwagenparks, fernab der üblichen Wanderwege. Unerwartet erscheint eine junge Frau (dargestellt von einer überzeugenden Jordan Cowan) an seiner Tür, auf der Suche nach Schutz vor dem Unwetter. Sie gibt an, vom Strand zu kommen (der doch eher weit weg ist, noch dazu ist sie Barfuß). Patrick, obwohl zunächst abweisend, gewährt ihr schließlich Einlass und schlägt ihr erstmal eine warme Dusche vor, während der Sturm draußen weiter wütet. Doch zwischen den beiden herrscht alsbald eine spürbare Anspannung. Als der Strom schließlich ausfällt, verstärkt jeder Blitzschlag und jedes Donnern das Gefühl, dass eine der beiden Personen (oder gar beide) etwas voreinander verbergen …

Wenn zwei Fremde aufeinander treffen …

YOU’LL NEVER FIND ME erinnert besonders an zwei jüngere solide Genrefilme: STALKER (2022) von Steve Johnson und BARBARIAN (2022) von Zach Cregger (zumindest an die erste Hälfte des Films). Auch in diesen Psycho-Kammerspielen treffen zwei Unbekannte, jeweils ein Mann und eine Frau, aufeinander. In ersterem in einem Fahrstuhl eines zwielichtigen Hotels, der eine Panne hat und feststeckt, in letzterem in einem merkwürdigen Airbnb-Mietshaus, das für denselben Zeitraum scheinbar doppelt gebucht worden ist. Bell und Allens Film ist jedoch eine nochmal wirksamere Variante; er ist weniger steif als STALKER und weit konsequenter als BARBARIAN. Die Dynamik, die sich aus dem unscheinbaren Zusammentreffen des Mannes und der jungen Frau ergibt, ist schon einzigartig: Der Zuschauer hält den Atem an, versucht zu spekulieren, was als nächstes passieren könnte, nur um dann wieder auf eine falsche Fährte gelockt zu werden. Stets beschuldigen und verdächtigen sich die beiden gegenseitig. Es ist auch dieses Aufeinanderprallen der Geschlechter (Mann – Frau) und der Generationen (alt – jung), die diesen Film letztendlich so unwiderstehlich und reizvoll machen. STALKER und BARBARIAN begnügten sich „lediglich“ mit dem Geschlechteraspekt. Bei YOU’LL NEVER FIND ME knistert der Bildschirm jede Sekunde förmlich vor Suspense. Wie wird diese Begegnung nur enden?

Ein Talent ist am Werk

Dass Bell Talent besitzt, hat sie spätestens mit dem Kurzfilm CALL CONNECT (2019) bewiesen, den sie geschrieben und auch bereits zusammen mit Josiah Allen inszeniert hat. In einer einzigen Einstellung mit sehr langsamem Zoom (!) wird dort in unter 15 Minuten die Geschichte von einer jungen Notrufmitarbeiterin erzählt, die ihren ersten Anruf entgegennimmt. Dabei durchläuft sie wohl die Stresssituation eines ganzen Lebens … Auf alle Fälle sehenswert und auf YouTube kostenlos verfügbar – ein Geheimtipp für die neugierigen Leser unter euch!

Bell und Allen schaffen es mit YOU’LL NEVER FIND ME jedenfalls geschickt, die Spannung aufrechtzuerhalten und kontinuierlich zu steigern, bis der Film schließlich in einem überraschend surrealen Psycho-Finale gipfelt – und man tief hinein in eine kranke Seele blicken darf (oder muss). Am Ende gilt auch das Motto: Man bekommt, was man verdient.

YOU’LL NEVER FIND ME ist damit ein Indie-Genrefilm, den man sich nicht entgehen lassen sollte; eine kleine kinematografische Thriller-Perle! Und Filmfans aller Couleur sollten auf alle Fälle die Karriere von Indianna Bell (und Josiah Allen) im Auge behalten; man darf nämlich auf weitere Indie-Genre-Juwelen gespannt sein.

YOU’LL NEVER FIND ME

Regie: Indianna Bell / Australien / 2023 / 96 Minuten

Besetzung: Brendan Rock, Jordan Cowan, Elena Carapetis

Freigabe: 16

Verleih: Meteor Film

Start: April 2024

(Diese Kritik ist zuerst bei DEADLINE – Das Filmmagazin erschienen)