I’M DANGEROUS TONIGHT (Filmkritik)

I’m Dangerous Tonight (1990) mixt teuflisches Rotes, düsteren Animismus und Azteken-Mythos zu einem schaurig-schicken B-Movie mit einer feurigen Mädchen Amick und einem wunderbar exzentrischen Anthony Perkins.

Eine Frau in einem leuchtend roten Kleid steht selbstbewusst in einem eleganten Restaurant und zeigt einem Mann am Tisch den Mittelfinger – Szene aus I’m Dangerous Tonight (1990).

Copyright Kino Lorber

Ein rotes Kleid wird zum Vektor des Bösen: Wer es trägt, verliert seine Hemmungen und gewinnt dafür rohen Trieb. Genre-Regisseur Tobe Hooper (The Texas Chainsaw Massacre, 1974) nutzt diese simple Prämisse als filmische Beschwörung und verwandelt ein Mode-Objekt in ein mit Opferkulten und Blutmagie aufgeladenes Artefakt, das wie ein Fluch von Körper zu Körper wandert. Jeder neue Träger wird zur Zwischenstation, jede Anprobe zur unwissenden Initiation …

Kurzer Handlungsabriss: Eine College-Studentin entdeckt dieses verfluchte rote Kleid, das jeden, der es trägt, in ein Werkzeug des Bösen verwandelt. Unterstützt – und zugleich manipuliert – wird sie dabei von einem exzentrischen Professor, der die dunkle Macht des Stoffes wissenschaftlich erforschen will.

TV-Herkunft, Kinonerven

Zwar für das US-Fernsehen gedreht, inszeniert Hooper I’m Dangerous Tonight dennoch mit mehr Finesse als viele Kinoproduktionen jener Zeit. Er arbeitet mit ökonomischen Mitteln (pointierte Close-ups, Farbkontraste, Lichtkanten, sirrendem Sound) und lässt dort, wo das Budget nicht ausreicht, die Suggestion einspringen. Das Ergebnis mag stilistisch uneinheitlich sein, doch genau in dieser Patchwork-Ästhetik liegt der eigentliche Reiz: ein bisschen College-Film, ein bisschen Abenteuerfilm und ein bisschen Horror-Ritualfantasie.

Mädchen Amick (bekannt aus David Lynchs Serie Twin Peaks für ihre Rolle als Kellnerin Shelly Johnson) spielt die Versuchung als Verunsicherung. Sie gibt keinen Dämon in High Heels, sondern einen Menschen, der von etwas Größerem durchweht wird. Ihre strahlende Präsenz trägt die gesamte Eskalation – das Bild weiter oben im roten Kleid zeugt davon. Psycho-Star Anthony Perkins (der gehypte Horrorregisseur Osgood Perkins ist übrigens sein Sohn) liefert dazu den perfekt verschrobenen Professor: Halb Dozent, halb Priester, jemand, der Mythologie nicht nur erklärt, sondern geradezu anruft. Zwischen beiden entsteht ein vibrierender Strom aus Wissbegier gegen Willen, Wissenschaft gegen Aberglauben – und dazwischen das feurige Kleid, das längst seine eigene Geschichte schreibt.

Mythos statt Mythologie

Die aztekischen Opferkulte fungieren im Film nicht als Geschichtsunterricht, sondern als Symbolmaschine. Hooper interessiert sich für die Idee von Dingen, die etwas wollen: Messer, Stoff, Reliquien – Gegenstände mit eigenem Hunger. Diese animistische Lesart verwandelt Räume in Komplizen, lässt Türen atmen, Vitrinen zurückstarren und Spiegel zu Portalen des Begehrens werden. Der Film verliert sich zwar kurz in Expositionshäppchen, doch immer wenn der Stoff wieder ins Bild fällt, bündelt sich die Energie aufs Neue.

Gewalt kommt abrupt, aber nicht exzessiv; die TV-Grenze setzt dem Gore enge Leitplanken, die Hooper geschickt mit Suggestion umschifft. Die Highlights sind kleine Setpieces: ein stiller Korridor, ein Tanz, ein Blick in Rot. Mehr braucht es auch nicht, um die Temperatur zu heben. Ja, manches wirkt heute campy, trotzdem bleibt der Ton ernst genug, um den Trash-Gott milde zu stimmen.

Fazit

Ein roter Reißverschluss zur Unterwelt: I’m Dangerous Tonight ist kein verlorenes Meisterwerk, aber ein köstlich dämonischer Snack aus Hoopers Spätphase – stilbewusst, schlüpfrig, seltsam eigensinnig. Wer Okkultes, 90er-TV-Texturen und die Lust am verfluchten Objekt mag, findet hier ein angenehm giftiges Sammlerstück.

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