Seit Fahrenheit (2005) habe ich jedes einzelne Quantic Dream Videospiel gesuchtet. Und alle waren eine großartige Erfahrung: Heavy Rain (2010) beeindruckte mit einer intensiven, fesselnden Story über einen Serienmörder, Beyond Two Souls (2013) beschäftigte sich mit der bewegenden Beziehung zwischen Jodie Holmes und ihrer geheimnisvollen Identität Aiden, Detroit: Become Human (2018) hinterfragte den Platz von Androiden in einer von Menschen gemachten Gesellschaft. Alle Videospielproduktionen von Quantic Dream sind anspruchsvoll und von hoher Qualität. Aber es gibt auch viele andere Videospiele, die ehrgeizig und qualitativ hochwertig sind. Was machen also Fahrenheit, Heavy Rain, Beyond Two Souls und Detroit: Become Human anders? Die Antwort liegt in diesen beiden Worten: interaktives Storytelling!
Schwerwiegende Entscheidungen
In allen Spielen von Quantic Dream kommt den Entscheidungen der Spieler eine wichtige Rolle zu. Die Entscheidungen, die während des Spielverlaufs getroffen werden, bringen nicht nur die Geschichte voran, sondern sagen auch viel über die Persönlichkeit des jeweiligen Spielers aus. Letztendlich lernt der Spieler sich selbst durch das Videospiel kennen. Gerade wenn Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen, bleibt wenig Zeit zum Nachdenken und oft gewinnt die Intuition. Es ist spannend zu sehen, wohin die Intuition den Spieler führen kann. In Bereiche nämlich, die er vorher nicht vermutet hatte. Videospiele von Quantic Dream testen die Persönlichkeit des Spielers und seine (moralischen) Ansichten. Die Spieler sind manchmal sehr überrascht von ihren eigenen Entscheidungen. Kaum ein anderes Spiel hat mit der Persönlichkeit des Spielers in dieser Weise „gespielt“.
So nahe am Geschehen wie möglich
Darüber hinaus sind Videospiele von Quantic Dream ein sehr eindringliches Erlebnis. Leben und Tod der Charaktere liegen in den Händen des Spielers und hängen davon ab, wie er mit ihnen umgeht. So können in Heavy Rain oder Detroit: Become Human die Hauptfiguren tatsächlich sterben, wenn man nicht aufpasst und nicht genau spielt. Und es ist (meistens) ein Permadeath. Der Spieler wird alles tun, was er kann, um sicherzustellen, dass dies nicht geschieht. Auf diese Weise wird er noch mehr in das Spiel und die Geschichte hineingezogen. Volles Eintauchen und Konzentration werden durch Quick-Time-Events (QTE) erreicht. Auch wenn diese teilweise kritisiert und als „unangemessenes Gameplay“ bezeichnet werden, können sie sehr effektiv sein. Sie erfordern vom Spieler höchste Konzentration und Präzision. Der Spieler hat den Ehrgeiz, bei einem solchen „Event“ keine Fehler zu machen und steigert sich dadurch voll und ganz in das Geschehen hinein. Manchmal sind schnelle QTEs sehr überraschend und kurz, manchmal angekündigt, sehr lang und herausfordernd für den Spieler.
Bei interaktiven Geschichten sieht David Cage den Spieler sogar als den eigentlichen Autor der Geschichte: Der Grad des Eintauchens ist unterschiedlich, denn sie treffen die Entscheidungen, sehen die Konsequenzen und es wird zu ihrer Geschichte. Es ist verrückt zu sehen, wie persönlich sie wird.
Spannende Geschichten mit echten Darstellern
Die Höhepunkte der Spiele sind auch ihre Geschichten, die komplex, bewegend, spannend und grandios erzählt sind. Ihnen ist es zu verdanken, dass Entscheidungen und QTEs am Ende so gut funktionieren, denn ohne eine gute Handlung wären sie völlig wertlos. Die hervorragende Motion-Capture-Technik haucht den Charakteren der Geschichte Leben ein. Quantic Dream-Spieler werden sich immer an Jacqui Ainsley (Madison Page) aus Heavy Rain, Ellen Page (Jodie Holmes) und William Dafoe (Nathan Dawkins) aus Beyond Two Souls oder Jesse Williams (Markus) und Bryan Dechart (Connor) aus Detroit: Become Human erinnern. Die Tatsache, dass das Team um David Cage einige bekannte und erfahrene Schauspieler für die Protagonisten verpflichten konnte, zahlt sich aus. Quantic Dream-Spiele glänzen durch ihr grandioses „Schauspiel“.
Die Geschichten sind auch deshalb so spannend, weil sie aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Cage darüber:
Es macht mir wirklich Spaß, Geschichten aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen, und ich weiß nicht, warum andere Leute das nicht so oft tun. Es macht Spaß, vor allem, wenn man Geschichten erzählt, die getrennt beginnen und später ineinandergreifen.
Interaktives Storytelling: eine Kunstform
Für Quantic Dream und seinen Gründer David Cage sollten Videospiele wie Filme und Bücher auch als Kunst betrachtet werden. Die Aufgabe der Games von Cage ist es, echte Gefühle wie Empathie, Traurigkeit, Schuld oder Wut hervorzurufen. Die meisten klassischen Spiele fördern vor allem Frustration und Wettbewerb. Heavy Rain und Co. sprechen Spieler und Nicht-Spieler gleichermaßen an, da sie Videospiele als die gleiche Kunstform ansehen wie jede andere auch. Genau wie Bücher oder Filme bleiben sie bei Ihnen.
David Cage sagte dazu in einem Interview: Wenn man über Videospiele spricht, gibt es das Wort Spiel. Es gibt einen Begriff von Spaß, von Beiläufigkeit. Spiele sollen nicht eine bestimmte Anzahl von Themen ansprechen, denn es gibt Dinge, mit denen man keinen Spaß haben kann, weil es zu ernst ist. Das ist nicht meine Vorstellung von Interaktivität. Interagieren heißt meiner Meinung nach nicht unbedingt Spaß haben. Es geht darum, etwas zu (er-)leben. Es kann schön sein, aber es kann auch dunkel und traurig sein.
Fazit
Quantic Dream entwickelt Videospiele in erster Linie, um Geschichten zu erzählen. Geschichten gibt es seit Anbeginn der Menschheit und sie gehören zum Grundgerüst der Gesellschaft: Jeder will, dass Geschichten erzählt werden. Doch David Cage ist noch einen Schritt weiter gegangen. Er erzählt sie nicht nur, sondern lässt auch die Zuhörer an der Geschichte teilhaben. Sie sitzen nicht passiv vor dem Fernseher oder lesen stumm ein Buch, nein, sie sitzen mit dem Controller schwitzend und gestikulierend vor der Konsole und haben ein aktives Erlebnis! Das ist perfektes Eintauchen und interaktives Storytelling!
Zitatquellen: reddit.com, gamesindustry.biz