Kurzmeinung: Ein Luxusurlaub endet in abgefahrenem Körperweltenhorror.
Luxusurlaub als Albtraum
Mit INFINITY POOL legt Filmemacher Brandon Cronenberg, Sohn der Body-Horror-Regielegende David Cronenberg, nach ANTIVIRAL (2021) und POSSESSOR (2020) seinen dritten Spielfilm vor – und entführt den Zuschauer auf die imaginäre Insel La Tolqa in ein luxuriöses Strand-Resort, das zum Schauplatz einer albtraumhaften Identitätskrise des Protagonisten wird. Schriftsteller James Foster (Alexander Skarsgard) gönnt sich eine Auszeit mit seiner Frau Em (Cleopatra Coleman) in der Hoffnung, seine Inspiration käme damit zurück. Zunächst scheint das Gegenteil der Fall zu sein, denn der All-Inclusive-Urlaub verstärkt nur noch die schon Jahre anhaltende kreative Krise des Autors – bis zu dem Moment, an dem er von der verführerischen Gabi Bauer (Mia Goth) in ein Gespräch verwickelt wird. Sie legt nicht nur die scheinbar oberflächliche und fragile Beziehung von James und Em offen, indem sie ungezügelt mit James flirtet, sondern überredet das Paar auch dazu, den sicheren Ort des Resorts zu verlassen, um den Tag mit ihr und ihrem Partner Alban (Jalil Lespert) an einem einsamen Paradiesstrand zu verbringen. James ist von Gabi spürbar angezogen (auch, weil sie sich als Fan seines ersten Buches outet). Als er am Strand hinter einem Baum uriniert, packt Gabi sein Geschlecht unerwartet von hinten und befriedigt ihn mit der Hand – explizit gezeigt. Ob es sich hierbei wirklich um Gabi handelt oder um eine phantasierte Szene, bei der James mit den Gedanken an Gabi masturbiert, bleibt offen. Spätestens hier ist dem Zuschauer aber klar, dass sich alles, was im Film folgt, stets zwischen Phantasie und Realität abspielt. Als sich die kleine Truppe am Ende des Tages halb betrunken aufmacht, um ins Hotel zurückzukehren, sitzt James am Steuer. Unterwegs überfährt er versehentlich einen Einheimischen, der sofort tot ist. Ab da fangen die Probleme erst so richtig an … und James findet sich alsbald in einem surrealen Identitätsfindungstrip aus Gewalt, Obszönität und Drogen, inklusive menschlicher Klone (zu viel sei hier nicht verraten), wieder!
Identitätskampf
Bereits POSSESSOR aus dem Jahr 2020 zeigte einen wahren Kampf der Identitäten, gespickt mit wohldosiertem Body Horror. Mit INFINITY POOL geht Cronenberg junior diesen Weg ein weiteres Mal: James wird mit seinen Doppelgängern konfrontiert, die er jeweils sterben sehen bzw. selbst töten muss. Cronenberg zufolge lautete die Prämisse des Films: „Was, wenn man seiner eigenen Exekution beiwohnen muss? Und das immer und immer wieder?“ Diese Fragestellung führt zu grotesken und bizarren filmischen Momenten, die in Erinnerung bleiben, gleichzeitig schaden sie aber auch dem restlichen Storytelling. Hypnotisch-verstörende Bilder – mit Körperflüssigkeiten, Organen und entstellen Gesichtern – können dem haarsträubenden Narrativ nicht immer etwas entgegensetzen. Die beste Performance liefert zweifellos Mia Goth, die Horrorfans von den Ti-West-Filmen X und PEARL kennen. Sie (als Gabi Bauer) und ihre Reichen-Clique ziehen James nach und nach in eine hedonistische Spirale der Gewalt und des Exzesses (wenn das nebenbei auch Satire auf reiche Touristen in armen Ländern sein soll, dann ist das nur teilweise gelungen).
Am Ende stellt sich dem Zuschauer unweigerlich die Frage, ob James sich alles nur eingebildet hat, ob er das Ehepaar Bauer und die weiteren Personen also einfach beobachtet hat und sich daraus ein „Film“ entwickelt hat bzw. ein Buch, das er während des Aufenthalts geschrieben hat, oder ob alles wirklich so in der Realität passiert ist – wenn die zweite Variante beabsichtigt war, dann drängt sich eine weitere Frage auf: Welchen James haben wir letztendlich vor uns? Den echten oder irgendeinen seiner Doppelgänger?
INFINITY POOL
Regie: Brandon Cronenberg / Kanada / 2023 / 117 Minuten
Besetzung: Alexander Skarsgard, Mia Goth, Cleopatra Coleman, Jalil Lespert, Thomas Kretschmann, Amanda Brugel, John Ralston
Produktion: Karen Harnisch, Andrew Cividino, Noah Segal, Rob Cotterill
Freigabe: 18
Verleih: Universal Pictures Home Entertainment
(Diese Kritik ist zuerst bei DEADLINE – Das Filmmagazin erschienen)
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